Maria Sibylla Merian
Ich freue mich sehr, heute einen Gastartikel auf dem Botanical heART Blog präsentieren zu dürfen.
Dieser Artikel wurde von meiner Künstlerkollegin Manuela Herhaus verfasst und erschien ursprünglich im Newsletter des Vereins für Botanische Kunst Deutschland.
Manuela entführt uns in die faszinierende Welt von Maria Sibylla Merian, einer bemerkenswerten Künstlerin und Naturforscherin des 17. Jahrhunderts.
Maria Sibylla Merian war nicht nur eine Meisterin der Kupferstecherkunst, sondern auch eine Pionierin in der Erforschung der Metamorphose von Insekten.
Ihre Liebe zu Flora und Fauna spiegelt sich in ihren präzisen und zugleich künstlerisch hochwertigen Darstellungen wider.
Lass dich von der Geschichte und den Werken einer Frau inspirieren, die ihrer Zeit weit voraus war.
Viel Spaß beim Lesen!
Botanische Künstlerin in Deutschland
Maria Sibylla Merian
von Manuela Herhaus
In Nürnberg gibt es ein kleines Gärtchen, hoch oben auf der Kaiserburg über den Dächern der Stadt, zwischen dem Heidenturm und der Himmelsstallung. Es nennt sich der Merian-Garten und soll ein Erinnerungsort sein für die berühmte Kupferstecherin, die in der fränkischen Metropole 14 Jahre ihres Lebens verbrachte.
Doch mal von Anfang an: Maria Sibylla Merian wurde 1647 in Frankfurt geboren, als letztes Kind von Matthäus Merian d.Ä.. Er betrieb dort seine Kupferstecherwerkstatt und einen Verlag eine wohlhabende Künstlerfamilie. Doch der Vater starb als Maria 3 Jahre alt war.
Die Mutter heiratete wieder einen Künstler: den Blumenmaler Jacob Marell. Er sorgte für die künstlerische Ausbildung des Mädchens und sie lernte schon früh zeichnen, malen und das Handwerk des Kupferstechens.
Doch Maria Sibylla interessierte sich vor allem für Insekten.
Sie legte schon als Jugendliche eine kleine Seidenraupenzucht an, fütterte sie mit den Blättern des Maulbeerbaumes und machte eine Beobachtung nach der anderen.
Nach Aristoteles entwickelten sich die Insekten - unter denen er Käfer, Spinnen, Würmer u.ä. verstand - als Urzeugung aus unbelebter Materie, Schlamm oder fauligem Fleisch.
Maria sah etwas ganz anderes: Sie beobachtete die Verpuppung der Raupen und die Metamorphose zum Sommervögelein, wie sie die Schmetterlinge nannte.
Erst 1667 bewies der Arzt Francesco Redi die Metamorphose der Schmetterlinge und widerlegte damit Aristoteles.
Blumen & Raupen
Maria Sibylla widerlegte nicht öffentlich, sie beobachtete und zeichnete, sie hatte ihre Berufung gefunden. Mit ihrem Mann Andreas Graff zog sie 1670 nach Nürnberg.
In den dortigen 14 Jahren bekam sie zwei Töchter, unterrichtete die Töchter der Nürnberger Patrizier, publizierte ein konventionelles Blumenbuch zur Stickvorlage und die ersten beiden Bände ihres Lebenswerkes:
“Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung”.
Diese großformatigen Bände enthalten die ihr eigenen „Metamorphosebilder".
Das sind Bilder, die sowohl alle Entwicklungsstadien des abgebildeten Insekts zeigen, aber auch die spezielle Pflanze, die sie dazu benötigen.
Maria Sibylla Merian erkannte nämlich ebenfalls, dass die unterschiedlichen Raupen auch ganz bestimmte und spezielle Futterpflanzen brauchen, um überleben und sich entwickeln zu können.
All dies ist auf ihren Bildern dargestellt.
Seite für Seite in Kupfer gestochen.
Im Grunde war dies bereits ein wissenschaftliches Werk, beruhte es doch auf genauer Beobachtung und detailreich wiedergegebenen Einzelheiten und erläuternden Texten.
Doch es enthielt keinerlei wissenschaftliche Begriffe, war auf Deutsch geschrieben und nahm keinen Bezug auf die damalige Fachliteratur.
Doch noch nie hatte jemand das symbiotische Verhältnis von Nahrung und Insekt derartig dargestellt.
Reise nach Surinam
Über mehrere Lebensstationen in Frankfurt, Friesland und Amsterdam und inzwischen getrennt von ihrem Mann machte sich die Künstlerin und Naturforscherin mit einer ihrer Töchter auf eine Reise nach Surinam in Südamerika.
Nach einer strapaziösen Seefahrt blieben Dorothea und ihre Mutter fast zwei Jahre hier und sammelten Eindrücke, Pflanzen, Samen, Tiere und alles, was ihnen interessant erschien.
Sie nutzte das Wissen der Einheimischen und ihrer afrikanischen und indianischen Sklaven, um so viel wie möglich über diese tropische Welt mit der unbekannten Flora und Fauna zu erfahren.
Doch das dortige Klima setzte den beiden Europäerinnen sehr zu. 1701 kehren sie früher als geplant mit Zeichnungen, Notizen, Präparaten von Pflanzen, Insekten, Reptilien und Amphibien im Gepäck zurück nach Amsterdam.
Hier entstand dann - auf der Grundlage von Subskriptionen - die berühmte Abhandlung "Metamorphosis Insectorum Surinamensium" der ersten Frau, die die tropische Flora und Fauna erforscht hat.
Das Werk war diesmal zweisprachig - niederländisch und lateinisch. Es umfasste 60 Tafeln im Folioformat mit ausführlichen Texten und großen Abbildungen.
Eine Pflanze mit darauf lebenden Eiern, Raupen, Puppen und Schmetterlingen einer Art. Hin und wieder eine Eidechse oder eine Schlange zur Dekoration.
Bewundernswert ist jedoch nicht nur die Beobachtungsgabe, auch Darstellung, Komposition und Farbgebung faszinieren auch noch nach 300 Jahren.
Künstlerin & Naturforscherin
So bewegte sich Maria Sibylla Merian zwischen Flora & Fauna, zwischen Kunst & Wissenschaft, zwischen Insekten & Futterpflanzen.
Ihr Interesse galt wohl primär den Insekten.
Nichtsdestotrotz sind die Darstellungen der Futterpflanzen ihrer Raupen bis heute eine Augenweide für jeden botanischen Künstler und man bedenke: alle Feinheiten sind mit einem Grabstichel in eine Kupferplatte gestochen.
1717 starb Maria Sibylla Merian im Alter von 70 Jahren.
2013 wurde der Merian-Garten auf der Nürnberger Kaiserburg eröffnet und zeigt seinen Besucherinnen und Besuchern die Pflanzen aus den Büchern der Künstlerin zusammen mit Reproduktionen der entsprechenden Bilder.
Und weil sie auch als Begründerin der modernen Insektenforschung gilt, ist zusätzlich zu Insekten anziehenden Pflanzen in einer Nische der Gartenmauer eine "lebende" Wandtafel als Insektenhotel für wildlebende Bienen, Käfer und andere Gliederfüßer angebracht.
Ein friedlicher Ort, um der großen Künstlerin ein Andenken zu bewahren.
Ich hoffe dir hat dieser Ausflug in die Geschichte der botanischen Kunst gefallen!
Herzlichen Dank an Manuela Herhaus und den Verein für Botanische Kunst Deutschland für diesen wunderbaren Gastartikel über das Leben und Werk von Maria Sibylla Merian.
Im Mitglieder-Newsletter des Vereins für Botanische Kunst Deutschland (VBKD) werden regelmäßig historische Persönlichkeiten aus der botanischen Kunst vorgestellt.
Informationen zur Mitgliedschaft im VBKD findest du auf der Vereins-Website:
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Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal!
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Quellenangabe
Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes Städel Museum 2017
Maria Sibylla Merian, Künstlerin und Naturforscherin 1647-1717, Historisches
Museum Frankfurt a. M. 1997
Dieter Kühn, Frau Merian!, Ffm. 2002
Barbara Beuys, Maria Sibylla Merian, Berlin 2016